Internationales Familienrecht: russisch
Russisches Scheidungsrecht
Der Scheidungsantrag eines (oder beider) Ehegatten reicht aus. Es braucht keinen Scheidungsgrund. Nur wenn der andere Ehegatte nicht in die Scheidung einwilligt, muss das Gericht die „Unmöglichkeit des weiteren Zusammenlebens der Ehegatten und der Aufrechterhaltung der Familie“ feststellen.
Es gibt keine gesetzlichen Vermutungen für eine Zerrüttung. Gemäß bestimmter Kriterien der Praxis sind z. B. vorübergehende Meinungsverschiedenheiten oder ein nur zeitweiliger Verfall der Familie noch unzureichend. Das Gericht muss den unumkehrbaren Zerfall der Ehe feststellen (ähnlich Zerrüttungsprinzip).
Hierfür gibt es objektive Kriterien:
– Kinderlosigkeit, Unmöglichkeit gemeinsame Kinder zu haben
– Dauerhaftes Getrenntleben
– Faktische Gründung einer neuen Familie durch einen Ehegatten (eheähnliches Zusammenleben mit einem Dritten)
– Schwere Erkrankung eines Ehegatten, die ein normales Familienleben unmöglich macht
und subjektive Kriterien:
– Alkoholismus eines Ehegatten
– Untreue
– Verschwendungssucht
– Gleichgültigkeit in Bezug auf die Kindererziehung,…etc. …
Bei Nicht-Einwilligung eines Ehegatten in die Scheidung kann das Gericht Maßnahmen zur Versöhnung der Ehegatten treffen (u. a. eine oder mehr Versöhnungsfristen festsetzen (insgesamt höchstens 3 Monate). Ist diese fruchtlos verstrichen, so wird das Verfahren fortgesetzt.
Scheidung in Abwesenheit eines Ehegatten: ausnahmsweise auf einseitiges Verlangen eines Ehegatten: bei Verschollenheit des anderen Partners; nach gerichtlicher Entmündigung des anderen Ehepartners; nach Verurteilung des anderen Ehegatten zu einer mehr als dreijährigen Freiheitsstrafe.
Keine Scheidungsklage einreichen kann der Ehemann während der Schwangerschaft seiner Frau und innerhalb eines Jahres nach der Geburt des Kindes. (Außer die Ehefrau willigt ein). Diese zeitliche Einschränkung gilt auch dann, wenn das Kind tot geboren wird oder vor Vollendung des ersten Lebensjahres stirbt.
Das Scheidungsverfahren:
Zu unterscheiden (1.) Scheidung vor dem Standesamt und (2.) gerichtliche Scheidung:
1. Scheidung vor dem Standesamt:
Einvernehmliche Scheidung, sofern die Ehegatten keine gemeinsamen Kinder haben. Für die Beilegung eventueller Streitigkeiten hinsichtlich Scheidungsfolgen (z. B. Aufteilung des Vermögens, Unterhaltszahlungen, …) kann man im Anschluss an die standesamtliche Entscheidung ein Gericht anrufen. Zuständigkeit: Standesamt vom Wohnsitz der beiden Ehegatten oder nur eines Ehegatten oder am Ort der Registrierung der Eheschließung; für russische Staatsangehörige im Ausland: russische Konsulate.
Gemeinsamer Formularantrag; Unterzeichnung der Ehegatten im Beisein eines Standesbeamten; die Scheidung erfolgt mit Ablauf eines Monats nach Antragstellung; Eintragung der Scheidung in das Standesamtsregister und Ausstellung der Scheidungsurkunde; damit wird die Auflösung der Ehe wirksam.
2. Gerichtliche Scheidung:
Gerichte sind nur zuständig, wenn
– zumindest ein gemeinsames minderjähriges Kind vorhanden ist;
– wenn sich die Parteien zwar über die Scheidung einig sind, aber die einvernehmliche Scheidung am Standesamt daran scheitert, dass eine Partei sich der Abwicklung der Formalitäten entzieht;
– oder wenn eine Partei nicht in die Ehescheidung einwilligt;
Bei der einvernehmlichen Scheidung muss kein Scheidungsgrund angegeben werden. Das Gericht kann über Wohnort und Unterhalt der minderjährigen Kinder entscheiden, wenn keine Vereinbarung darüber getroffen wurde, oder eine solche dem Kindeswohl widerspricht.
Bei der Scheidung auf Antrag nur eines Ehegatten kann dem Gericht eine Scheidungsvereinbarung vorgelegt werden. Ohne diese oder bei Widerspruch eines Ehegatten oder bei Widerspruch gegen die Interessen eines Kindes, entscheidet das Gericht von Amts wegen über künftigen Wohnort und Kindesunterhalt.
Auf Antrag zumindest einer Partei entscheidet das Gericht über Teilung des ehelichen Vermögens oder auch über die Höhe des Ehegattenunterhalts. Auch die Aufteilung des Gemeinschaftsvermögens kann vom Gericht (in gesondertem Verfahren) entschieden werden, wenn die Interessen Dritter betroffen sind (z.B. bei Miteigentum).
Bei Widerspruch eines Ehegatten zur Scheidung wird unter Fristsetzung zur Versöhnung die Scheidung für max. 3 Monate aufgeschoben. Nach deren fruchtlosem Verlauf aber wird vom Gericht die Scheidung ausgesprochen.
Scheidung in Abwesenheit einer Partei:
– wenn beide Parteien ihr Einverständnis zur Verhandlung erklären
– wenn Beklagter trotz ordnungsgemäßer Ladung ohne Grund abwesend ist, kann der Kläger ein Versäumnisurteil erwirken (Rechtsmittel des Beklagten dagegen: Appellationsbeschwerde und Aufhebungsantrag möglich)
Zuständigkeit
Friedensrichter; sofern Streit bezüglich Unterhalt, Wohnsitz oder Umgang mit Kindern besteht, ist das Rayonsgericht zuständig. Örtliche Zuständigkeit: grundsätzlich am Wohnsitz des Beklagten; falls dieser unbekannt ist, oder bei Wohnsitzlosen: Klage beim Gericht am Ort des Vermögens oder des letzten bekannten Wohnsitzes. Außerdem ist die Scheidungsklage aber auch am Wohnsitz des Klägers möglich, wenn dieser für ein minderjähriges Kind sorgt oder die Anreise unzumutbar ist. Aber auch freie Vereinbarung des Gerichtsstandes ist möglich.
Internationale Zuständigkeit der Gerichte und Standesämter: Wenn beide Ehegatten ihren Wohnsitz in der russischen Föderation haben und einer davon die russische Staatsbürgerschaft, so ist für die Scheidung ausschließlich ein russisches Gericht zuständig. Dasselbe gilt für die Standesämter.
Wenn der Kläger in Russland wohnhaft ist und zumindest eine Partei russische Staatsangehörigkeit hat, aber auch wenn ein im Ausland lebender russischer Staatsangehöriger die Scheidung begehrt, ist die internationale Zuständigkeit gegeben, kann aber durch eine Gerichtsstandsvereinbarung geändert werden.
Bei Ehescheidungen im Ausland werden die standesamtlichen Funktionen von den russischen Konsulaten wahrgenommen, wenn ein Partner die russische Staatsbürgerschaft hat und seinen ständigen Wohnsitz in dem jeweils betreffenden Staat hat.
Bei Klagen über Immobilien ist ausschließlich das Gericht am Belegenheitsort zuständig.
Wirksamwerden der Scheidung
Mit Rechtskraft des Scheidungsurteils und somit nach Ablauf der Monatsfrist für die Appellationsbeschwerde. Das Gericht muss den Auszug des Urteils ans Standesamt (Ort der Eheschließung) übermitteln oder eine der Parteien schriftlich oder mündlich (Standesamt am Wohnort) beantragen.
Jeder der beiden geschiedenen Ehegatten hat Anspruch auf Aushändigung einer Ausfertigung der Scheidungsurkunde. Erst danach darf eine neue Ehe eingegangen werden.
Scheidungsfolgen
-1. Vermögensaufteilung
Das eheliche Gesamthandsvermögen wird grundsätzlich zu gleichen Teilen aufgeteilt. Das Gericht kann aber im Interesse minderjähriger Kinder oder bei beachtlichen Interessen eines Ehegatten davon abgehen (z. B. wenn ein Ehegatte grundlos keine Einkünfte erzielt, oder das Gemeinschaftsvermögen entgegen familiärer Interessen verbraucht hat. Aber auch mangelnde Erwerbsfähigkeit einer Parteiaus gesundheitlichen oder anderen nicht verschuldeten Gründen wird berücksichtigt). Ebenso werden gemeinschaftliche Schulden im Aufteilungsverhältnis geteilt. Ein vorheriges eigenmächtiges Handeln eines Ehegatten (z. B. Veräußerungsgeschäfte ohne Zustimmung oder Beiseiteschaffen von Gegenständen des Gesamthandvermögens) ist ebenso bei der Teilung in Geldwert zu berücksichtigen.
Der Teilung unterliegen nicht – während des Getrenntlebens erworbenes Vermögen (wenn vom Gericht dem persönlichen Eigentum zugeordnet), – Gegenstände, die ausschl. für minderjährige Kinder angeschafft wurden, – Sparguthaben, die für gemeinsame Kinder angelegt waren.
Im Prinzip Naturalteilung (einer erhält den Gegenstand, der andere Geld als Ausgleichszahlung dafür), dies betrifft auch Wohnraum (soweit er sich aufteilen lässt). Bei Unteilbarkeit des Wohnraums ist eine Ausgleichszahlung entgegen dem Willen einer Partei nur zulässig, wenn sie anderweitigen Wohnraum besitzt.
Das Recht, Teilungsklage zu erheben, verjährt binnen 3 Jahren ab dem Zeitpunkt, wo der geschiedene Ehegatte von der Verletzung am Gesamthandvermögen Kenntnis erlangte oder erlangen hätte müssen.
2. Unterhalt
Voraussetzung für nachehelichen Unterhalt: Leistungsfähigkeit des verpflichteten geschiedenen Ehegatten. Anspruch haben die geschiedene schwangere Ehefrau bis drei Jahre nach Geburt eines gemeinsamen Kindes (unabhängig von Bedürftigkeit), der bedürftige geschiedene Ehegatte, der ein gemeinsames behindertes Kind pflegt, (bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres dieses Kindes, oder unbegrenzt, wenn das Kind seit Kindheit als behindert mit Stufe 1 eingestuft wurde), der erwerbsunfähige bedürftig geschiedene Ehegatte, (wenn die Erwerbsunfähigkeit vor oder binnen 1 Jahr nach der Scheidung eingetreten ist), sowie der Bedürftige, wenn die Ehe lange bestanden hat und er binnen 5 Jahren das Rentenalter erreicht.
Dennoch kann das Gericht den Unterhaltsanspruch verneinen oder zeitlich begrenzen, wenn die Erwerbsunfähigkeit durch Alkohol- oder Drogenmissbrauch oder eine vorsätzlich begangene Straftat eingetreten ist, die Ehe nur kurz bestanden hat oder das Verhalten des Unterhalt -begehrenden geschiedenen Ehegatten innerhalb der Familie unwürdig war.
Mangels vertraglicher Regelung setzt das Gericht die Höhe der Unterhaltszahlungen unter Berücksichtigung der materiellen und familiären Lebensumstände fest. Die Unterhaltsleistungen für Ehegatten werden als monatlich zu zahlender Festbetrag zugesprochen (anders beim Kindesunterhalt). Der Berechtigte hat auch Anspruch auf Anpassung des Betrags an die Entwicklung des Geldwerts. Der Unterhaltsanspruch eines erwerbsunfähigen bedürftigen Ehegatten erlischt jedoch, wenn der Unterhaltsberechtigte eine neue Ehe eingeht.
3. Sonstige Scheidungsfolgen
Gemeinsamer Ehename: kann jeder beibehalten (auch Doppelnamen); man kann ebenso seinen vorehelichen Namen (auch aus einer vergangenen Ehe) wieder aufnehmen. Allerdings darf der Name eines neuen Ehemannes bei Wiederverheiratung nicht an den Doppelnamen angehängt werden.
Aufenthaltsberechtigung: keine gesetzliche Regelung darüber, ob eine gewährte Aufenthaltsberechtigung eines in Russland ansässigen Ausländers unbegrenzt verlängert oder verweigert werden kann; mit einem mindestens einjährigen legalen Aufenthalt ist aber der Bestand einer Ehe ohnehin unerheblich für die Verlängerung einer Aufenthaltsberechtigung.
Einbürgerung: ab der Ehescheidung fällt die Begünstigung zur Einbürgerung weg: das bedeutet, dass sich für die Einbürgerung von Ausländern die erforderliche Mindestaufenthaltsdauer von einem auf fünf Jahre verlängert, wenn die Ehe vor Ablauf des 1. Aufenthaltsjahres in Russland geschieden wird.
Auch andere Ansprüche entfallen mit Wirksamkeit der Ehescheidung:
– etwaige rentenrechtliche Ansprüche (Hinterbliebenenrente)
– gesetzliches Erbrecht
– Schadenersatzansprüche wegen Tötung des Ehegatten
4. Vertragliche Scheidungsvereinbarungen
Grundsätzlich können die Ehegatten nur vermögensrechtliche Beziehungen wirksam vereinbaren. Somit können nur
– Vereinbarungen über die Vermögensteilung
– nachehelicher Gattenunterhalt
– und gegenseitige vermögensrechtliche Verpflichtungen nach der Ehe
als Reglung über Scheidungsfolgen getroffen werden.
Formerfordernis: dieselben Voraussetzungen wie für den Ehevertrag.