Rechtsanwältin Mag. Katharina Braun
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Die Kraft des Alters

Altern und Tod sind die Tabuthemen unserer Zeit.

Alter wird in der Gesellschaft dann akzeptiert, wenn es um den „agilen fröhlichen“ Alten geht; das Alter sozusagen wegkaschiert wird.
Unternehmen werben zwar verstärkt um die Senioren und deren Kaufkraft ( in der Marketingsprache werden kaufkräftige Senioren als sogenannte woopies bezeichnet), doch durch viel verwendete Begriffe wie Anti Aging wird vermittelt, dass das Alter ein pathologischer, krankhafter Zustand sei.
Menschen ab 50 gelten am Arbeitsmarkt als schwer vermittelbar, als Problemgruppe. Erfahrung zählt in der Gesellschaft immer weniger.
Gerade Frauen werden nach wie vor über ihre körperliche Attraktivität definiert, mit zunehmendem Alter unsichtbar. Im Film sind insbesondere ältere Frauen unterrepräsentiert.

Die Schönheitsindustrie macht Millionenumsatz damit zu versuchen Falten zu entfernen. Nicht nur, dass aber Falten auch für gelebtes Leben stehen, verschwindet dadurch die Individualität, schauen dann alle Gesichter gleich und somit langweilig aus.

Im Unteren Belvedere n Wien ist derzeit bis zum 4.3.2018 die sehenswerte Ausstellung „ Die Kraft des Alters“ zu sehen.

Künstlerinnen wie u.a. Hannah Wilke, Suzy Blake, Margot Pilz und Martha Wilson nähern sich dem Thema Alter mit Humor, zeigen ihren eigenen Körper im Wandel der Zeit. Martha Wilson zeigt in etwa wie langweilig im Vergleich mit dem natürlich gealtertem Gesicht das faltenlos geglättete Gesicht wirkt. Auf der Aufnahme „LifeStyleLift“ sieht man Wilson im Kopfstand, auch dies eine humoristische Methode faltenfrei zu sein.

Der Philosoph Robert Pfaller ( von ihm auch ein Beitrag im Ausstellungskatalog) meint, dass man anstatt das Leben mit unzähligen Verboten und Geboten zu belegen, danach streben sollte ein gutes Leben zu leben. Das Leben eben mit Leben zu füllen. In unserer Jugendkultur wird erwachsen auszusehen, so Pfaller, auch deshalb vermieden, weil damit auch Mündigkeit, Verantwortung übernehmen einhergeht. Früher hingegen wollten Menschen älter aussehen, da damit auch die Erreichung eines gewissen gesellschaftlichen Status ( dies wichtig für Heiratsfähigkeit) verbunden war.

Neben unzähligen Bildern ( Aleah Chapin „The Last Droplets oft he day,“ Joan Semmel „Aura“) , Fotografien ( unter vielen anderen von Tina Barney, Duane Michals- „Grandpa goes to heaven“, Juergen Teller „Vivienne Westwood,“ Nina Kovacheva „ The hidden face of fragility“ Roman Opalka- letzterer hat sich über viele Jahre vor Tafeln mit von ihm gezeichneten Zahlenreihen fotografiert) sind auch sehr interessante Videoarbeiten zu sehen. Bei den Videoarbeiten ist hervorzuheben die Arbeit des Regisseurs Edgar Honetschläger „Omsch II“. Honetschläger filmte über Jahre seine humorvolle Nachbarin, welcher über 100 Jahre alt wurde.

http://www.honetschlaeger.com/omsch/

Berührend die Fotos der Künstlerin Regina Hügli von demenzkranken Menschen, wobei mir persönlich besonders gut die Fotos von Herbert G gefallen, bei den Fotos kann man sich gut noch den lustigen Bub von ehemals vorstellen.

www.reginahuegli.com

Bemerkenswert auch die Generationenreihe von Annegret Soltau „ Selbst mit Tochter, Mutter und Großmutter"- – diese Arbeit wurde von früheren Ausstellungen wegen „gezielt hässlich“ gar ausgeschlossen.

http://www.annegret-soltau.de/de/galleries/generativ-1994-2005/artworks/generativ-selbst-mit-tochter-mutter-und-grossmutter-110
Ausstellungen sollten zum Nachdenken anregen, neue Blickwinkel aufzeigen. Das ist der Kuratorin Sabine Fellner ( welche u.a. im Kunstmuseum Lentos die Ausstellungen „ Rabenmütter „ sowie „ Der nackte Mann“ kuratierte) sehr gut gelungen.
Robert Pfaller: „Wofür es sich zu leben lohnt. Elemente materialistischer Philosophie“)
Ausstellung „Die Kraft des Alters“ ( Aging Pride) im Unteren Belvedere in Wien
https://www.belvedere.at/kraft_des_alters

Wie man es auch drehen mag, das Alter betrifft uns alle, unsere Gesellschaft wird immer älter. Der Langsamkeit des Alters steht wertvolle Erfahrung gegenüber, auf die am Arbeitsmarkt nicht verzichtet werden sollte.
Ein interessantes Generationenprojekt gibt es im Übrigen in Wien, „Vollpension“- hier im 4. Bezirk, Schleifmühlgasse 16 gibt es im Generationenkaffeehaus Kuchen von der Oma zu kaufen. Omas Speis und Trank am Kuchltisch dient als Kommunikations- Katalysator zwischen den Generationen.

http://www.vollpension.wien/

Pflege von Angehörigen stellt uns vor viele- auch rechtliche – Herausforderungen. Pflegeberufe gehören ( dies auch finanziell) aufgewertet.

Mit dem Faktum, dass Begehren auch im Alter eine Rolle spielt , hat sich im Übrigen unlängst auch der Europäische Gerichtshof auseinander gesetzt:
Sex macht Frauen auch noch mit über 50 Jahren Spaß. Portugal sah dies anders.
Dass Frauen auch noch mit über 50 Freude am Sex haben, und haben dürfen, sollte wohl nicht weiter überraschend sein und als selbstverständlich gelten.
Ein Gericht in Portugal sah dies jedoch anders:
Nach einem misslungenen gynäkologischen Eingriff ( Mitte der 90 er Jahre) hatte eine Frau starke Schmerzen beim Sexualverkehr, und klagte 2000 das Krankenhaus, in welchem sie den Eingriff hatte vornehmen lassen, für den erlittenen physischen und psychischen Schaden.
Die ihr vom Erstgericht zugesprochene Entschädigung kürzte das Berufungsgericht um € 40.000 ,– Dies deshalb da die Frau bereits 50 Jahre alt sei und bereits zwei Kinder habe. Sex für Frauen, so die Anschauung des Berufungsgerichts, in dieser Altersgruppe sei nicht mehr so wichtig.
In der Begründung des Berufungsurteils heißt es: „Es sollte nicht vergessen werden, dass die Klägerin zur Zeit der Operation bereits 50 Jahre alt war und zwei Kinder hatte. Das ist ein Alter, in dem Sex nicht mehr so wichtig ist wie in jüngeren Jahren, denn seine Bedeutung verringert sich mit zunehmendem Alter.“
Die Frau wandte sich an den Europäischen Gerichtshof, und dieser sah nun in der Entscheidung des Berufungsgerichts einen Verstoß gegen die UN- Menschenrechtkonvention. Mit diesem Urteil hätten die portugiesischen Richter die sexuelle Integrität von Frauen ignoriert. Das Urteil der Portugiesen zeige wie viele Vorurteile es noch in Portugal betreffend Sexualität gebe. Die vorsitzende Richterin Ganna Yudkivska sagte, das portugiesische Urteil sei für den modernen Staat schockierend, denn während die portugiesische Rechtsprechung bei ( auch älteren) Männern erkannte, dass die Beeinträchtigung des Sexuallebens eine starke Beeinträchtigung des Sexuallebens und somit einen „starken Schock“ für die Männer darstelle, habe das portugiesische Gericht weibliche Sexualität mit Fortpflanzung gleichgesetzt. „ Die portugiesischen Richter gehen von der traditionellen Vorstellung aus, dass die weibliche Sexualität vor allem mit dem Gebären von Kindern zusammenhängt und deshalb ab einem bestimmten Alter nicht mehr wichtig ist“, erklärten die Straßburger Richter. Wenn Männern aber unabhängig von Alter und Kindern Schmerzensgeld zugestanden wird, kann es bei Frauen nicht gekürzt werden, entschieden die Straßburger Richter.
Nicht unerwähnt sei, dass selbst die Richter in Straßburg sich über die Bedeutsamkeit eines gelingenden Sexuallebens für ältere Frauen uneinig waren. So votierten zwei Richter ( stammend aus Luxemburg und Slowenien) gegen diese Entscheidung und meinten in der Entscheidung des portugiesischen Berufungsgericht keine Diskriminierung von Frauen zu erkennen. Dies da es doch im gegenständlichen Fall nur um das Alter ginge.
Bis zur Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs sind ganze 7 Jahre ins Land gezogen. Die Klägerin ( mittlerweile über 70 Jahre) musste bis zur Erlangung dieser ( eigentlich selbstverständlichen) Entscheidung viel Geduld und Nerven aufzubringen.