Grenzstreitigkeiten zwischen Nachbarn – Bedeutung des Grenzkatasters
Streit zwischen Nachbarn: Wenn Grenzlinien „wandern“
Grenzkataster. Wer sein Grundstück dort erfassen lässt, hat ein für allemal Ruhe vor künftigen Grenzstreitigkeiten. Trotzdem ringen sich nur recht wenige Liegenschaftseigentümer dazu durch.
Oft sind es Kleinigkeiten, die erbitterte Streitigkeiten zwischen Grundeigentümern auslösen: Nachbar A pflanzt nahe der vermeintlichen Grenze einen Baum, Nachbarn B ist das nicht recht. Er schaut genauer hin – und glaubt zu erkennen, dass der Grenzverlauf nicht stimmt; der Baum stehe in Wahrheit schon auf seinem Grund und Boden.
Wären die Liegenschaften im Grenzkataster erfasst, ließe sich der Streit schnell schlichten, denn damit wäre der Grenzverlauf verbindlich festgelegt. Aktuell finden sich dort aber nur 14,3 Prozent aller österreichischen Grundstücke. In der sogenannten digitalen Katastralmappe sind zwar auch alle anderen Liegenschaften der jeweiligen Katastralgemeinde erfasst, allerdings großteils bloß auf der Basis des Grundsteuerkatasters. Aus diesen Plänen lässt sich zwar die Lage der einzelnen Grundstücke erkennen, nicht aber der exakte Grenzverlauf.
Keine Eintragungspflicht
Der Grenzkataster wurde 1968 eingeführt, um diese Rechtsunsicherheit zu beseitigen. Eine amtswegige Erfassung von Grundstücken ist jedoch nur in Sonderfällen vorgesehen – aus „ Kapazitäts- und Kostengründen“, so Christoph Twaroch, ehemaliger Leiter der Abteilung Vermessungs – und Eichwesen im Wirtschaftsministerium und Buchautor zum Thema. Ansonsten bleibe es den Eigentümern überlassen, ihr Grundstück vom Grundsteuer – in den Grenzkataster umschreiben zu lassen.
Das Verfahren ist aufwendig. Die Vermessung erfolgt anlässlich einer Grenzverhandlung, zu der sämtliche Anrainer zu laden sind. Die Eintragung setzt voraus, dass alle betroffenen Anrainer zustimmen. Andernfalls ist ein Verfahren einzuleiten. Im Zuge dessen können die Nachbarn Einwendungen erheben und die Grenzen gerichtlich festsetzen lassen.
Auch in Streitfällen wie dem eingangs beschriebenen bleibt oft nur der Weg zum Gericht. Der Kläger muss im Grenzberichtigungsverfahren den von ihm behaupteten Grenzverlauf nachweisen. Gibt es keine Vermessungsurkunden, ist der letzte ruhige – also unumstrittene – Besitzstand ausschlaggebend; lässt sich dieser nicht mehr feststellen, hat der Richter lauf ABGB die Flächen nach „ billigem Ermessen“ zu verteilen. Die Verfahrenskosten müssen sich die Nachbarn im Normalfall teilen. Schon aus Kostengründen sei meist eine außergerichtliche Einigung sinnvoll, rät die auf Immobilienrecht spezialisierte Wiener Rechtsanwältin Andrea Zapotoczky. Zum Beispiel könnte man als Ersatz für das Stück Wiese mit dem Baum eine andere Fläche abtreten oder dafür eine Ablösezahlung oder Pacht anbieten.
„ Schleichende“ Veränderungen
Lässt man seine Liegenschaft in den Grenzkataster eintragen, erspart man sich künftig solchen Ärger. Zapotoczky weist auf einen weiteren Vorteil hin: Eine Ersitzung von Grundstücksteilen ist dann ausgeschlossen. Mit behaupteten Ersitzungsansprüchen müssen sich Liegenschaftskäufer immer wieder herumschlagen, berichtet der Wiener Rechtsanwalt Herbert Gartner: Da stelle sich plötzlich heraus, dass „bereits der Großvater des Nachbarn der Meinung gewesen ist, ein bestimmter Teil der Grundfläche gehöre ihm.“ Solche „schleichenden Grenzveränderungen“ zu verhindern, sei einer der Gründe für die Einführung des Grenzkatasters gewesen. Ob ein Grundstück dort eingetragen ist, erkennt man am Grundbuchauszug an einem „G“ bei der Grundstücksnummer im A1 – Blatt.
Zu den bereits erfassten Grundstücken kommen jährlich etwa 30.000 dazu – von österreichweit rund 10,3 Millionen. Das geringe Interesse der Eigentümer hat auch Kostengründe: Mit einigen hundert Euro muss man jedenfalls rechnen. Ganz hoffnungslos ist ein Nachweis der Grenzen zudem ohne Grenzkataster nicht. Twaroch: „ Es gibt noch alle Vermessungsurkunden der letzten hundert Jahre.“ Für mehr als 50 Prozent der Grundstücke lasse sich so der Grenzverlauf rekonstruieren, „ diese Unterlagen sind wesentliche Beweismittel vor Gericht“.
Gut zu wissen:
Geplante Novelle:
Ein Entwurf für eine Novelle des Vermessungsgesetzes liegt derzeit zur Begutachtung auf. Unter anderem sollen Anrainer künftig nicht mehr gegen die Umwandlung vom Grundsteuer- in den Grenzkataster Einwendungen erheben können, sondern nur mehr gegen den konkreten Grenzverlauf.
Autor: Mag. Katharina Braun, veröffentlich in „ die Presse,“ am 28.2.2012
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