Rechtsanwältin Mag. Katharina Braun
Logo: Rechtsanwältin Mag. Katharina Braun

Haftungsausschluesse in Allgemeinen Geschäftsbedingungen.

Wenn niemand für Fehler haften will.

Haftungsausschlüsse in allgemeinen Geschäftsbedingungen gehen oft zu weit, wie eine aktuelle OGH- Entscheidung zeigt. Trotzdem sitzt man als geschädigter Kunde oft am kürzeren Ast. Besonders schwer nachzuweisen sind Schäden durch fehlerhafte Software.

Im Kleingedruckten von Verträgen verbergen sich oft böse Überraschungen. Haftungsausschlüsse zum Beispiel, die dem Vertragspartner meist erst auffallen, wenn bei der Geschäftsabwicklung schon etwas schief gegangen ist.

Insbesondere die Haftung für leichte Fahrlässigkeit wird oft ausgeschlossen- und nach landläufiger Ansicht ist das auch rechtlich zulässig. Jedoch trifft dies nicht ausnahmslos zu. Das Höchstgericht sieht zwar eine Haftungsbeschränkung auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit grundsätzlich als zulässig an, auch wenn sie nur in den allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) steht. Bei einem großen Machtgefälle zwischen den Vertragsparteien –wie im Anlassfall zwischen Bank und Privatkunden- kann sie jedoch hinfällig werden. Zum selben Ergebnis kam Ende Mai auch das Handelsgericht Wien und erklärte den generellen Haftungsausschluss für leichte Fahrlässigkeit in den AGB von UPC Telekabel Wien für nichtig.

Ebenfalls unzulässig ist die Klausel “Wir haften jedenfalls nicht für Schäden, die im Zusammenhang mit dem Missbrauch von Zugangsdaten oder Passwörtern entstehen, sofern sie nicht auf Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit beruhen“. Dadurch würde das Risiko für Missbrauchsschäden gänzlich auf den Verbraucher überwälzt –zu Unrecht, denn letztlich kann nur das Unternehmen Vorkehrungen treffen, um die ihm anvertrauten Daten zu sichern.

Auch wenn AGB häufig für Ärger sorgen, sind sie aus dem Geschäftsleben nicht mehr wegzudenken. Das Problem für den Konsumenten: Ihm bleibt in der Praxis meist nichts anderes übrig, als sie so zu akzeptieren, wie sie sind, oder auf den Geschäftsabschluss zu verzichten. Um dieses Machtgefälle auszugleichen, setzt das Konsumentenschutzgesetz dem Unternehmer für seine Vertragsgestaltung Grenzen. Beispielsweise erklärt es den Haftungsausschluss für Personenschäden für unwirksam.

Ungültig können auch Klauseln sein, die ungewöhnlich und überraschend sind oder den Konsumenten grob benachteiligen. Gerade in Fällen, in denen der Verbraucher auf besonders intensive Weise der Machtposition des Unternehmens ausgeliefert ist, soll sich dieses nicht ohne sachlich einleuchtende Gründe von der Haftung freizeichnen können. „Jedenfalls darf der Haftungsausschluss nicht in den AGB an unerwarteter Stelle versteckt werden“, sagt der Wiener Rechtsanwalt Clemens Lintschinger. Gegen unzulässige AGB gibt es die Möglichkeit einer Verbandsklage: Bestimmte Institutionen –VKI, Bundesarbeitskammer, Wirtschaftskammer Österreich- können demnach einen gerichtlichen Unterlassungsanspruch geltend machen.

Ein eigenes Kapitel, zu dem es noch wenig Rechtsprechung gibt, ist das Thema Haftungsausschlüsse im Zusammenhang mit der Softwareentwicklung. Laut Rechtsanwalt Meinhard Ciresa aus Wien finden sich im Rechtsinformationssystem des Bundes –dem sogenannten RIS –nur insgesamt 19 Rechtssätze zu den Stichwörtern „Software“ und „ABGB“. Zur Software-Programmiererhaftung an sich gibt es keine Judikatur. „Hier helfen nur die allgemeinen zivilrechtlichen Regelungen zum Werkvertrag, wenn man vom Fall ausgeht, dass eine Individualsoftware über Auftrag des Kunden für diesen zu programmieren ist.“

Zur Klärung solcher Haftungsfragen braucht man neben rechtlichem auch technisches und naturwissenschaftliches Wissen. „In der Regel ruft jede Software Komponenten anderer Programme auf, auch solche anderer Hersteller. Diese stehen somit in Interpendenz“, erklärt Peter de Martin, IT Consultant ERP Systeme in Wien. Der Keim des Fehlers könne auch schon vor der Programmentwicklung gelegt worden sein und in den Pflichtenheften stecken, die die Anforderungen definieren. Dazu kommt, dass Software auf Hardwareplattformen mit spezifischen Dienstprogrammen und Treibern läuft und von unterschiedlich ausgebildeten Benutzern bedient. „ Die Fehlerquelle lässt sich daher oft kaum isolieren und ist nur schwer zurechenbar.“

Zusätzliche Fehlerherde entstehen durch Vernetzung und somit potenziell eingeschleuste „Schadsoftware“ sowie durch eine Vielzahl von outgesourcten Dienstleistungen, von Telekommunikation bis Hosting/Cloud. Schon kleine Fehler können dabei große Wirkung im Gesamtsystem haben, in den USA sind beispielsweise schon größere Teile des Telefonnetzes ausgefallen.

Die Komplexität moderner Systeme wirkt sich auch in der Beurteilung des entstandenen Schadens aus. Dieser reicht, je nach Einsatzgebiet der Software, von funktionalen Mängeln über Datenverlust oder –manipulation bis hin zu Vermögens –und Personenschäden. Selbst Testläufe helfen nur bedingt: „Das Problem beim Test von Computerprogrammen ist, dass es eine Unzahl von Eingabemöglichkeiten gibt, von denen jede für sich ursächlich für einen Fehler verantwortlich sein kann“, sagt de Martin. Testergebnisse seien daher Erfahrungswerte. Zwar werden ständig verbesserte Computerprogramme entwickelt, um automatische Qualitätssicherungen durchzuführen, diese können jedoch naturgemäß nur eine repräsentative, „endliche“ Anzahl an Situationen simulieren. Letztlich muss man von der Annahme ausgehen, dass jede Software Fehler hat.

Fehlerhafte Software kann weitreichende Folgen haben und enorme Schäden verursachen, man denke zum Beispiel an den Zusammenbruch von elektronischen Betriebssystemen im Bereich der Telekommunikation oder des Zahlungsverkehrs. Um das eigene Risiko zu minimieren, begrenzen Softwareunternehmen daher regelmäßig über ihre allgemeinen Geschäftsbedingungen ihre Haftung. Wie weit und unter welchen Voraussetzungen das zulässig ist, haben die Gerichte bis heute nur selten beurteilen müssen.

Nicht jeder Softwarefehler ist allerdings ein rechtlich relevanter Mangel. Der Grundsatz „Jede Software hat Fehler“ begründet aber keinesfalls eine Exkulpierung des Softwareherstellers, wenn ihn ein Verschulden trifft. Ein Kriterium, um beurteilen zu können, ob das der Fall ist oder nicht, bieten die „anerkannten Regeln der Technik“. Wenn sich der Softwarehersteller an diese hält, wird man ihm kaum den Vorwurf der Fahrlässigkeit machen können. Umgekehrt deutet das Nichtbeachten dieser Regeln darauf hin, dass der Entwickler fahrlässig gehandelt hat.

Selbst wenn er fachlich überfordert war, befreit ihn das nicht von seiner Verantwortung – in diesem Fall hätte er den Auftrag gar nicht übernehmen dürfen. Ebenso wenig kann sich der Entwickler darauf berufen, dass er sich lediglich an die Vorleistungen oder Vorgaben Dritter oder des Kunden selbst gehalten habe: Wenn er diese unüberprüft übernimmt, setzt er sich dem Vorwurf fahrlässigen Handelns aus.

In der Praxis wird bisweilen wegen Zeitmangels oder Kostendrucks auf ausreichende Tests verzichtet. Auch daraus kann ein zusätzliches Haftungsrisiko entstehen, denn letztlich stellt sich in solchen Fällen die Frage, welche Fehlertoleranz gerade noch akzeptabel ist, und ab welchem Punkt es schon als fahrlässig angesehen werden muss, wenn entsprechende Tests unterbleiben. Bei der Beurteilung, ob das Softwareunternehmen deshalb haftbar ist, kommt es auch darauf an, was der konkrete Einsatzbereich der Software ist und welche potenziellen Schadenrisken bestehen. So wird man beispielsweise im medizinischen Bereich nur ausnahmsweise argumentieren können, ein Aufwand für Tests sei unzumutbar.

Noch ein weiteres Problem kann sich stellen, wenn man wegen mangelhafter Software Ansprüche geltend machen will. „Juristen müssen im Schadensfall klären, wer das Risiko der Folgeschäden zu tragen hat“, so Lintschinger. „Schon die rechtliche Einordnung eines Vertrages, mit dem Software jemandem überlassen wird, erweist sich als äußerst schwierig“.

Insbesondere ist umstritten, ob es sich bei Softwareverträgen um Kaufverträge, Lizenzverträge oder um Verträge sui generis – also eine eigene Gattung von Rechtsgeschäften –handelt. „Bei der Beurteilung der Frage, welche Regelungen auf den Softwarevertrag anzuwenden sind, muss jedenfalls auf den Einzelfall und auf den Parteiwillen abgestellt werden“, erklärt Lintschinger. „Der Erwerb vorgefertigter Standardsoftware, der dem Erwerber auf Dauer eine unbeschränkte Verfügungsmacht einräumt, wird in der Regel einen Kauf darstellen.

Softwareverträge mit Kündigungsmöglichkeiten und Rückgabeverpflichtungen wird man dagegen als Lizenz einzustufen haben. Und wenn Programme individuell für einen Auftraggeber hergestellt werden, wird von einem Werkvertrag auszugehen sein.“

Strittig sei auch die Frage, ob auf Softwareprogramme die Regelungen des Produkthaftungsgesetzes (PHG) anzuwenden sind, so der Experte. Kritiker wenden dagegen ein, dass Computerprogramme keine körperlichen Sachen seien, was jedoch die Grundvoraussetzung für die Anwendbarkeit des PHG darstelle. Dieses Gesetz normiert eine verschuldensunabhängige Haftung des Herstellers für Produktions-, Konstruktions- oder Instruktionsfehler, die sein Produkt zum Zeitpunkt des Inverkehrbringens aufweist. Damit der Geschädigte seinen Anspruch auf Schadenersatz durchsetzen kann, muss er den Eintritt des Schadens, den Produktfehler und den Kausalzusammenhang zwischen diesen beiden Tatsachen beweisen. Auch spezielle Vereinbarungen zwischen den Vertragspartnern können für die Beurteilung der Haftung eine Rolle spielen. Hat der Softwareentwickler beispielsweise eine besondere Eigenschaft des Programms zugesichert, wird er hierfür die Haftung nicht ausschließen können. Denn man kann sich nicht für eine besondere Eigenschaft eines Produkts verbürgen wollen, gleichzeitig aber in den AGB die Haftung für Schäden ablehnen, die daraus entstehen, dass genau diese Zusage sich als falsch erweist.

Darüber hinaus hängt der Haftungsausschluss auch bei Softwareprogrammen davon ab, um wen es sich beim Vertragspartner handelt. Wie sonst auch wird es hier nicht möglich sein, gegenüber Konsumenten die Haftung für leichte Fahrlässigkeit generell auszuschließen.

Zulässig sollte es allerdings sein, eine Klausel in die Vertragsbedingungen aufzunehmen, wonach der Fehler des Computerprogramms „ reproduzierbar“ sein muss, damit die Haftung greift. Das stellt auf die Tatsache ab, dass bei manchen Mängeln die Fehlerquelle nicht ausfindig gemacht werden kann, weil sie nur unter ganz besonderen Konstellationen auftreten und ansonsten nicht mittels Steuerbefehlen wiederholt werden können. Solche „nicht reproduzierbaren“ Fehler bereiten insbesondere Haftpflichtversicherern Kopfzerbrechen, weil sie sich meist nicht eindeutig einem Verursacher zuordnen lassen.

Generell sind Haftungsausschlüsse in AGB von Softwareunternehmen restriktiv zu beurteilen. Unzweifelhaft sollten gerade in diesem Bereich besonders hohe Anforderungen an die Sorgfaltspflichten gestellt werden. Selbst Unachtsamkeiten, die für sich isoliert betrachtet unerheblich erscheinen, können massiv schädliche Auswirkungen haben, ihnen muss daher entsprechende Bedeutung beigemessen werden.

In der Praxis versuchen jedoch die meisten Softwareunternehmen, jegliche, wie immer geartete Haftung für Mangelfolgeschäden vertraglich auszuschließen. Ciresa vermutet, dass sie sich dabei „im Einzelnen wohl nicht groß Gedanken über die Rechtswirksamkeit dieser Klauseln machen“.

Und das hat einen guten Grund: Selbst wenn sich diese Vertragsbestimmungen rechtlich als unhaltbar erweisen, hat der Kunde im Normalfall trotzdem wenig Chancen, einen Ersatzanspruch durchzusetzen.“ Für ihn stellt in der Praxis meist der Nachweis, dass ein bestimmter Mangel in der Software zu einem bestimmten Folgeschaden geführt hat, eine kaum zu überwindende Hürde dar“, so Ciresa.

Autor: Mag. Katharina Braun, „Die Presse“, am 27.10.2011