Rechtsanwältin Mag. Katharina Braun
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Neuigkeiten im Compliance und Korruptionsbereich

Rechtliche Grauzone wird nun doch heller
Welche Pflichten Unternehmensleiter in Sachen Compliance haben, wird durch neue Vorschriften zumindest teilweise klarer. Auch ins Antikorruptionsrecht kommt Bewegung.

Nicht erst, seit der parlamentarische Korruptionsuntersuchungsausschuss tagt, sind die großen Wirtschaftsskandale der vergangenen Jahre ein mediales Dauerthema. Auch weit harmlosere Verfehlungen können Unternehmen und ihr Management in arge Schwierigkeiten bringen.
Compliance – frei übersetzt: die Einhaltung von Regeln – wird deshalb immer wichtiger, und es entsteht auch zunehmend ein Bewusstsein dafür. Auch der Gesetzgeber hat sich des Themas angenommen. Compliance – Regeln finden sich bereits in unterschiedlichen gesetzlichen Bestimmungen, beispielsweise im Wertpapieraufsichtsgesetz, erklärt Ronald Frankl, Rechtsanwalt bei Lansky, Ganzger & Partner. Gleichzeitig lässt sich die Entwicklung beobachten, dass Compliance bereits als Teil der Pflichten des Managements angesehen wird, und zwar als Ausfluss der allgemeinen Leitungsverantwortung, wie sie beispielsweise dem Vorstand einer Aktiengesellschaft zukommt. Faktisch trifft diesen eine unternehmensweite Organisationsverantwortung und die Verpflichtung, auf ein rechtmäßiges Verhalten auf allen Ebenen hinzuwirken. Frankl verweist hier auf das Verbandsverantwortungsgesetz, das – genauso wie die Compliance Thematik selbst – infolge der Wirtschaftsskandale immer mehr an Bedeutung gewinnt. Der Hintergrund des Unternehmensstrafrechts liege nämlich gerade darin, ein sogenanntes „ Organisationsverschulden“ zu sanktionieren. „Unternehmen und deren Entscheidungsträger sind daher im höchsten Maß gefordert, vorbeugende organisatorische Maßnahmen zu implementieren.“ In der Praxis orten viele Experten aber immer noch mangelnde Sensibilität und Aufholbedarf im Umgang mit Compliance.

„ Sensible“ Informationen.

Rechtlich ist die Materie nach wie vor inhomogen; für börsennotierte Unternehmen gibt es klarere Regeln als für den Rest, vor allem durch das Börsengesetz und die Emittenten – Compliance – Verordnung (ECV). Letztere betraf bis jetzt nur organisatorische Maßnahmen zur Verhinderung einer missbräuchlichen Verwendung oder Weitergabe von Insiderinformationen. Seit Februar 2012 gilt jedoch eine Novelle, die auch sogenannte „ Compliance –relevante Informationen“ in das Compliance – Regime einbezieht.

„ Das hat zur Folge, dass Unternehmen nun auch schon derartige Informationen in unternehmensinterne präventive Maßnahmen einbeziehen müssen“, erklärt Marika Lomashvili, Rechtsanwältin und Kapitalmarktexpertin bei CMS Reich – Rohrwig Hainz. Konkret geht es dabei um „vertrauliche, kurssensible Informationen“. Darunter fällt laut FMA – Rundschreiben alles, was öffentlich bekannt ist und für einen verständigen Investor als relevant für eine Anlageentscheidung erachtet wird. Und zwar, wie Lomashvili erklärt, auch dann, wenn solche Infos eben noch nicht die Qualität einer Insiderinformation haben, weil sie dafür (noch) nicht exakt und relevant genug erscheinen.

Whistleblowing

Der Gesetzgeber hat sich in letzter Zeit auch eines anderen Themas angenommen, das im Zusammenhang mit der Verhinderung und Aufdeckung von Rechtsverstößen steht: Zumindest im öffentlichen Dienst sind Mitarbeiter, die organisationsinterne Missstände anzeigen, jetzt rechtlich geschützt. Mit Jahresbeginn wurde eine Bestimmung ins Beamtendienstrecht aufgenommen, die „ Whistleblowers“ vor Nachteilen bewahren soll.

Damit wurde der „Civil Law Convention on Corruption“ Rechnung getragen, die in Österreich schon seit Dezember 2006 gilt und zwingend den Schutz von Whistleblowers vorschreibt. Die konkreten Auswirkungen der seit Jänner geltenden Neuregelung: Das Recht nach dem Aufzeigen eines Missstandes von Vergeltungsmaßnahmen verschont zu bleiben, wird rechtlich durchsetzbar. Andererseits dürfen Beamte, die in sensiblen Bereichen – wie etwa der Firmenprüfung oder Auftragsvergabe –tätig waren, ein halbes Jahr nicht zu einem Unternehmen wechseln, mit dem sie in behördlichem Kontakt gestanden sind.

Ein gesetzliches Pendant für die Privatwirtschaft fehlt nach wie vor und ist nach dem aktuellen Informationsstand auch nicht in Sicht. „Damit wird es Whistleblowers nicht nur schwer gemacht, sich als Aufdecker von Missständen zu betätigen. Sie werden vielmehr in noch so begründeten Fällen aus Furcht vor beruflichen Benachteiligungen von entsprechenden Mitteilungen absehen“, kritisiert Frankl dieses Manko im geltenden Recht. „Und das, obwohl Whistleblowing einen wichtigen Beitrag zu einer funktionierenden Compliance – Organisation innerhalb eines Unternehmens leisten kann.“

Schutz für Vernaderer?

Die häufig geäußerten Bedenken, dass ein solcher gesetzlicher Schutz Missbräuchen Tor und Tür öffnen würde, weil Mitarbeiter dann völlig unbehelligt Kollegen oder Vorgesetzte gezielt anschwärzen könnten, teilt Frankl nicht. Er verweist darauf, dass die neue Schutzbestimmung für Beamte ausdrücklich auf die Gutgläubigkeit der betreffenden Person abstellt. In Missbrauchsfällen würde daher der gesetzliche Schutz nicht greifen, böswillige „Vernaderer“ könnten trotzdem mit Sanktionen belegt werden.

Dieses Konzept ließe sich durchaus auch auf die Privatwirtschaft übertragen. Es müsste dann allerdings von entsprechenden Ausgestaltungen des jeweiligen Compliance – und Whistleblowing – Systems flaniert werden. Etwa mit dem Erfordernis, dass Whistleblower nicht einfach nur Mutmaßungen über Fehlverhalten beim diesbezüglich Verantwortlichen anzuzeigen brauchen sondern das auch entsprechend zu präzisieren und so gut wie möglich zu präzisieren haben.

Als Beispiel eines namhaften Unternehmens, bei dem ein Whistleblowing – System erfolgreich in die Compliance – Organisation eingebettet wurde, nennt Frankl Daimler. Dort sei das „Null – Toleranz – Prinzip“ gegenüber vorschriftswidrigem Verhalten als Konzernrahmenrichtlinie eingeführt worden, auch Grundsätze für die Vorgangsweise bei möglichem Fehlverhalten seinen festgeschrieben, die für alle gelten, unabhängig von Status und Position des Betroffenen. Laut Stefan Köck, Gesellschafts – und Arbeitsrechtsexperte bei Freshfields Bruckhaus Deringer, werden sogenannte „ Whistleblower –Hotlines“ in Europa noch argwöhnisch betrachtet. Dabei handelt es sich um Plattformen, die Mitarbeitern die Möglichkeit bieten, anonym Compliance – Verstöße aufzuzeigen. Dieser Argwohn habe zum Teil auch gute Gründe, meint Köck, Aber: „Man muss anerkennen, dass eine Organisation, die es Arbeitskollegen nicht ermöglicht, sachlich – und einigermaßen geschützt – Verstöße aufzuzeigen, nur schwer als effizient angesehen werden kann.“

Antikorruptionsrecht.

Auch im Bereich der Antikorruptionsbekämpfung besteht rechtlicher Nachholbedarf, immerhin ist hier aber einiges in Bewegung gekommen. Es gehe dabei nicht nur um freiwillige Codices für politische Parteien oder um Verschärfungen der Regelungen zur Parteinfinanzierung, so Dominik Leiter, Partner bei bpv Hügel Rechtsanwälte. Sondern vor allem um eine Verschärfung von Strafbestimmungen, wie etwa die Wiedereinführung des sogenannten „ Anfütterungsverbots“. Derzeit sind Zuwendungen ohne konkreten Anlass nicht strafbar. Das soll sich künftig ändern, wobei aber Details noch umstritten sind. Verboten werden sollen – eine Bagatellgrenze überschreitende – Vorteilsannahmen im Hinblick auf die Amtsführung. Eine solche Regelung gab es in Österreich schon einmal, sie war aber nur kurze Zeit in Kraft.

Ebenso ist beabsichtigt, die Strafbarkeit für Amtsträger zu verschärfen, wenn sie für die Vornahme oder Unterlassung eines Amtsgeschäftes „ die Hand aufhalten“. Derzeit betrifft das nur pflichtwidrige künftige Amtshandlungen, künftig soll es auch bei pflichtgemäßen gelten.

Wolfgang Höller, Partner bei Schönherr Rechtsanwälte, weist auf Überlegungen zu einer weiteren Änderung hin: Derzeit fällt ein inländischer Abgeordneter nur dann unter den Amtsträgerbegriff im Sinn des Antikorruptionsrecht, wenn er „ in einer Wahl oder Abstimmung seine Stimme abgibt oder sonst in Ausübung der in den Vorschriften über dessen Geschäftsordnung festgelegten Pflichten eine Handlung vornimmt oder unterlässt“. Das soll geändert werden: „ Der Entwurf sieht vor, dass aktive und passive Bestechung inländischer Abgeordneter – gleich wie bei anderen Amtsträgern- im vollen Umfang strafbar ist.“ Geplant ist außerdem, den Amtsträgerbegriff auf Mitarbeiter von Unternehmen auszudehnen, an denen die öffentliche Hand zu mindestens 50 Prozent beteiligt ist oder die durch den Rechnungshof kontrolliert werden. Derzeit gelten Mitarbeiter öffentlicher Unternehmen nur dann als Amtsträger, wenn überwiegend Leistungen für die staatliche Infrastruktur erbracht werden. Eine Einschränkung, die, so Höller, internationalen Vorgaben klar zuwiderlaufe.

Auch hinsichtlich der Strafbarkeit von Auslandskorruption erfüllt die heimische Rechtslage die Grundsätze der Europarechtskonvention noch nicht ganz, zum Teil sind im Ausland begangene Delikte hierzulande nur dann strafrechtlich verfolgbar, wenn sie auch im betreffenden Land strafbar sind. Auch das soll sich ändern.

Schelte vom Europarat.

Stichwort Europarat: Dessen „ Staatengruppe gegen Korruption“ ( Greco) hat etliche Empfehlungen für Österreich, wie es seine Strafbestimmungen in Sachen Bestechlichkeit verschärfen könnte. So ist es den Greco- Experten ein Dorn im Auge, dass „tätige Reue“ hierzulande auch bei Korruptionsdelikten den Beteiligen ein Recht auf Straffreiheit gibt. Ebenso kritisieren sie zu milde Bestimmungen gegen Privatkorruption: Diese ist – anders als die Bestechung öffentlicher Amtsträger,- derzeit nur ein Privatanklagedelikt, die Strafdrohungen sind wesentlich niedriger. Das „Strafrechtsübereinkommen des Europarats über Korruption“ hat Österreich im übrigen noch nicht ratifiziert, anders als beispielsweise Albanien oder Aserbaidschan.

Wird sich all das ändern, wenn erst einmal die neuen Antikorruptionsbestimmungen gelten? „ Da noch keine konkreten Formulierungen vorliegen, bleibt abzuwarten, wie scharf die Änderungen tatsächlich ausfallen werden“, meint Höller. „ Derzeit gibt es sicherlich noch einige offene Punkte, die einer weiteren Konkretisierung bedürfen.“

Darunter falle beispielsweise auch die Einführung und Ausgestaltung einer Geringfügigkeitsgrenze. Offen ist hier unter anderem, wie mir wiederholten kleinen Zuwendungen umgegangen werden soll.

Autor. Mag. Katharina Braun, veröffentlicht in „ die Presse“ am 4.4.2012